Ruhestörung und Lärmbelästigung: Wie laut ist zu laut?
Nächtliches Staubsaugen, laute Musik auf der Gartenparty oder permanentes Babygeschrei: Es gibt so Einiges, mit dem einem die liebe Nachbarin oder der liebe Nachbar die verdiente Ruhe vermiesen kann. Was erlaubt ist und was nicht und welche rechtlichen Regelungen es beim Thema Ruhestörung gibt, lesen Sie hier.
Ruhestörung: Ab wann wird es kritisch?
Lärmbelästigung ist ein ständiger Begleiter. Ob Baustellenkrach, Autokolonnen auf viel befahrenen Straßen oder penetrantes Hundegebell im Stadtpark – der alltäglichen Geräuschkulisse können sich nur wenige Menschen entziehen. Als Ruhestörung kann dieser „Alltagslärm“ allerdings nur in den seltensten Fällen bezeichnet werden.
Denn was als solche gilt, ist im Gesetz genau festgelegt: Nach Paragraph 117 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) ist die Person Ruhestörer:in, die „ohne berechtigten Anlaß oder in einem unzulässigen oder nach den Umständen vermeidbaren Ausmaß Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen oder die Gesundheit eines anderen zu schädigen.“ Ruhestörung kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet werden.
Wichtig: Wen kann ich bei einer Ruhestörung anrufen?
Grundsätzlich ist das Ordnungsamt für diese Beschwerden zuständig. Da es aber nicht rund um die Uhr erreichbar ist, können Sie zu später Stunde auch die Polizei anrufen, denn an sie wird die Verantwortlichkeit für diesen Bereich dann übertragen.
Streit unter Nachbar:innen: Lautstärkepegel sorgt oft für Ärger
Besonders im Zusammenleben mit den Nachbar:innen sorgt ein erhöhter Lautstärkepegel oft für Ärger. Eine juristische Bewertung der Situation ist aber in vielen Fällen schwierig, da das Mietrecht weder klar definierte Ruhezeiten noch maximale Lautstärken festlegt.
„Streit zwischen Nachbarn ist hier vorprogrammiert, da das Mietrecht keine eindeutigen Dezibelgrenzen definiert. Auch was die Mittagsruhe betrifft, können sich Mieter nicht auf gesetzliche Regelungen berufen und höchstens auf die jeweilige Hausordnung verweisen.“
Franz Kopinski, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht aus Leipzig
Die Ruhezeiten sind in der Regel in der Hausordnung definiert. Gesetze geben hier nur bestimmte Werte vor:
- Die Nachtruhe ist in einigen Landes-Immissionsschutzgesetzen geregelt und daher nicht bundesweit einheitlich. Auch einzelne Städte und Gemeinden können örtliche Regelungen erlassen. Oft gilt die Nachtruhe von 22 Uhr bis 6 Uhr. So ist sie auch in der europäischen Richtlinie zum Umgebungslärm festgelegt.
- An Sonn- und Feiertagen gilt eine ganztägige Ruhezeit, wobei die Feiertage je nach Bundesland variieren.
Während der Ruhezeiten nur Zimmerlautstärke erlaubt
Während der festgelegten Ruhezeiten müssen die Geräusche auf Zimmerlautstärke reduziert werden. Diese liegt tagsüber bei 40 Dezibel und nachts bei 30 Dezibel. „Diese Werte sind allerdings nur Richtwerte: Ist ein Gebäude besonders hellhörig, können Gerichte auch in einer geringeren Lautstärke schon eine Ruhestörung sehen“, sagt Anwalt Kopinski. Als Faustregel sollten Sie sich an das Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs halten: Demnach spricht man von Zimmerlautstärke, wenn Geräusche außerhalb der Wohnung nicht mehr oder nur kaum wahrgenommen werden können.
Das bedeutet aber nicht, das man z. B. während der Nacht komplett still sein muss: „Sogenannte 'sozialadäquate' Tätigkeiten sind durchaus in Ordnung“, erklärt Kopinski. „Darunter versteht man alles, was die nachbarliche Nachtruhe stören könnte, aber schlichtweg zum menschlichen Verhalten gehört, wie etwa Geschlechtsverkehr oder die Körperhygiene." Allerdings sehen die Gerichte in einigen Fällen zeitliche Einschränkungen vor: So ist Duschen oder Baden auch nachts erlaubt, sollte unter Berücksichtigung von Präzedenzfällen jedoch auf 30 Minuten beschränkt werden.
Lärmbelästigung im Alltag: die wichtigsten Regelungen
Wie lange und oft darf mein Hund bellen? Und ist Musizieren in den eigenen vier Wänden erlaubt? Wir haben Ihnen die wichtigsten Regelungen zum Thema „Lärmbelästigung im Alltag“ zusammengestellt.
Laut Bundesimmissionsschutzgesetz stellt Kinderlärm „im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung“ dar, sondern wird als sozialadäquat eingestuft. Deshalb existieren hier auch keine Dezibelgrenzen. Nächtliches Babygeschrei oder Herumtollen in der Wohnung muss also akzeptiert werden. Als Richtlinie gilt: Je jünger das Kind ist, desto lauter darf es sein. „Bei Kinderlärm setzt das Gesetz eine hohe Toleranz seitens der Nachbarn voraus“, sagt Franz Kopinski. Es gibt allerdings auch Grenzen: So stuften Gerichte beispielsweise das Möbelrücken oder Tennisspielen in der Wohnung nicht als sozialadäquat ein.
Während der Gesetzgeber bei Kinderlärm eine hohe Toleranz voraussetzt, ziehen Haustierhalter:innen bei Nachbarschaftsstreitigkeiten häufig den Kürzeren. Gerichtsurteile reichen dabei von der Verpflichtung zur Lärmminderung bis hin zum Haltungsverbot. In der Regel gilt, dass ein Hund bis zu 30 Minuten am Tag bellen darf. Sollte er über einen längeren Zeitraum bellen, muss Abhilfe geschafft werden – beispielsweise durch den Besuch einer Hundeschule.
Ein:e Vermieter:in darf das Musizieren nicht pauschal verbieten. Sie oder er hat allerdings die Möglichkeit, den Gebrauch des jeweiligen Instruments einzuschränken. Feste Regelungen gibt es hierbei nicht, es gilt die Faustregel: Je lauter das Instrument, desto kürzer der tägliche Zeitraum, an dem es gespielt werden darf. Deutsche Gerichte haben hier zum Teil unterschiedlich entschieden und legten zeitliche Einschränkungen von 30 Minuten bis drei Stunden pro Tag fest.
Einem weitverbreiteten Rechtsmythos zufolge hat jeder einmal im Jahr „das Recht zum Feiern“, sei es am Geburtstag oder zur Wohnungseinweihung. Aber Vorsicht: „Ein pauschales Recht auf Partys gibt es nicht“, betont Rechtsanwalt Kopinski. Auch zu besonderen Anlässen muss die Nachtruhe gewahrt werden. Es kann jedoch helfen, vorher mit den Nachbarn zu sprechen oder diese einfach einzuladen.
Grundsätzlich ist die vorgeschriebene Nachtruhe auch an Silvester oder bei anderen sozialen Anlässen wie wichtigen Spielen der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft einzuhalten. Allerdings dürften Behörden an solchen Tagen ein Auge zudrücken. Fußballfans sollten das Lärmen allerdings spätestens 30 Minuten nach Abpfiff einstellen.
Ruhestörung: Was kann ich tun?
Grundsätzlich können Mieterinnen und Mieter, die unter der wiederholten Ruhestörung ihrer Nachbarin bzw. Ihres Nachbarn leiden, die Miete mindern. Dafür muss man der Vermieterin oder dem Vermieter allerdings zunächst die Möglichkeit einräumen, das Problem zu beseitigen. Die Information über die Lärmbelästigung sollte schriftlich – am besten in Form eines Lärmtagebuchs – bei der Vermieterin oder beim Vermieter eingereicht werden. Um dem Protokoll besonderen Nachdruck zu verleihen, sollte man sich die Vorfälle von Zeug:innen bestätigen lassen – am besten nicht nur von der Ehepartnerin oder vom Ehepartner, sondern auch von außenstehenden Besucherinnen und Besuchern.
„Bei regelmäßiger Ruhestörung über einen längeren Zeitraum hinweg empfiehlt sich das Führen eines Lärmtagebuchs. Darin können Mieter:innen genau dokumentieren, wann die Lärmbelästigung auftritt und welcher Art sie ist.“
Franz Kopinski, Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht aus Leipzig
Die Vermieterin bzw. der Vermieter ist gefordert
Ist die Vermieterin oder der Vermieter informiert, sollte dieser das Gespräch mit der Nachbarin oder dem Nachbarn suchen oder sogar eine Abmahnung aussprechen. Wird die Vermieterin oder der Vermieter nicht tätig oder besteht die Ruhestörung weiterhin, haben Mieterinnen und Mieter gemäß Paragraph 536 des Bürgerlichen Gesetzbuchs das Recht, die Miete zu mindern. Dies sollte allerdings nicht auf eigene Faust durchgesetzt werden, sondern zuvor eine Anwältin oder ein Anwalt für Mietrecht konsultiert werden. Bei sehr gravierenden Fällen bleibt Mietern noch die Unterlassungsklage: Verletzt die Nachbarin oder der Nachbar dann weiterhin die Ruhezeiten, kann eine Vertragsstrafe verhängt werden.